Mensch - jetzt lieb dich selbst!

Hast du Selbstliebe als Kind gelernt? Kennst du als erwachsener Mensch liebevollen Selbstkontakt und bewusste, nährende Eigenberührung? Schwingt da eine Wertung von übermässiger Selbstbezogenheit mit oder verstehst du unter Selbstliebe schlicht und einfach Masturbation?

 

Aktuelle wissenschaftliche Empfehlung

Seit ein paar Wochen führen wir den neuen Online-Seminarzyklus «Selflove» durch und die Erfahrungen damit lassen aufhorchen. Diese Seminarreihe ist aus dem aktuellen Berührungsmangel und dem auf sich selbst zurückgeworfen sein, entstanden. Wenn nicht jetzt, wann dann damit anfangen, eine Kultur zu entwickeln, die liebevollen Selbstkontakt kombiniert mit bewusster Eigenberührung? Diese Empfehlung zur Umarmung von sich selbst, kommt gerade auch von wissenschaftlicher Seite her. Es werden die Auswirkungen des inzwischen seit einem Jahr verordneten physical distancing untersucht und alternative Verhaltensweisen empfohlen. * Was wäre, wenn wir schon als Kinder lernen würden, uns ganz konkret im eigenen Körper zu verankern und diesen wertzuschätzen? Was wäre, wenn wir den Atem und die Eigenberührung als machtvolles Instrument nutzen würden, unseren Stress zu regulieren und uns mit unserem eigenen Wesenskern zu verbinden?

 

Eigenberührung ist doch unattraktiv!?

Bis vor kurzem war für mich- Dieter, Eigenberührung in erster Linie in Zusammenhang mit Selbstbefriedigung vertraut und dann sehr zielgerichtet. Selbstkontakt kenne ich bestens durch den Sport, Yoga und Meditation. Dort spüre ich mich, wird mein Denken ruhiger und meine Gefühle klarer. Mein eigener Boden wurde in den letzten Monaten durch die äusseren Einschränkungen immer wieder mal recht wacklig. Aktuell tun mir mein täglicher Spaziergang, Qi-gong am See und Winterschwimmen super gut. Das verbindet mich mit mir, macht mich lebendig, klar und gibt Boden unter die Füsse. Durch meine Partnerin entdecke ich seit einiger Zeit auch die bewusste Selbstberührung, die ich bis vor kurzem noch unattraktiv fand. Ich geniesse die Innigkeit mit mir selbst und vor allem auch die entspannende Wirkung. Gleichzeitig fremdle ich immer noch etwas damit und spüre, wie mir Zentrierungs- und Atemsübungen näher liegen, um mit mir in einen wirklich guten Selbstkontakt zu kommen.

 

Selbstkontakt auch in Beziehungen wichtig

Für mich- Barbara, ist Kontakt mit mir selbst und bewusste Eigenberührung vor allem aus meinen solo Lebensjahren bestens vertraut. Die damalige Herausforderung, nicht einfach eine «Grundversorgung» von Berührung, Nähe und Liebe zu haben und mir zu wünschen, es würde doch einfach von aussen kommen, ist präsent. Um so mehr kann ich nachvollziehen, wie es jetzt vielen Menschen geht, die durch die äusseren Umstände mehr oder weniger auf sich selbst zurückgeworfen sind. Wenn es mir gerade auch nicht an Berührung und Nähe mangelt, so fordert mich die derzeitig äussere Lebenslage ebenfalls sehr. Die Versuchung ist immer wieder gross, die Sicherheit und den Halt beim Partner zu suchen, weil es ansonsten im Aussen wenig gibt, was noch zur Verfügung steht. Genau da unterstützt es mich und entlastet die Beziehung, wenn ich mir bewusst Zeit nehme mit mir selbst, meine Körperübungen mache, meditiere, in der Natur alleine unterwegs bin und bewusst Eigenberührung praktiziere. Das verbindet mich auf eine wertschätzende Weise noch tiefer mit mir selbst und lässt mich in mich selbst und ins Leben, was immer passieren mag, vertrauen.

 

Verkörperte Selbstliebe 

Wie ihr von uns schon gehört habt und sicher auch selbst kennt, gibt es einige Techniken, die dich unterstützen, dein Nervensystem zu entspannen, mit dir in Kontakt zu kommen und dich selbst mehr zu spüren: Sport, Meditation, Yoga, Atemübungen, Tanzen, Massagen etc. Die aktuelle, aussergewöhnliche Situation ist eine Aufforderung, genau dieses Wissen konkret für dich selbst anzuwenden, damit du in den Turbulenzen und Unsicherheiten deines Alltags einen Ruhepol und Entspannung in dir selbst schaffen kannst. Schon vor dieser speziellen Situation mit dem Virus integrierten wir in unseren Seminaren die oben erwähnten Techniken und kombinierten sie mit der Berührung und aktuell eben speziell mit der Eigenberührung. Dadurch gehen wir noch einen Schritt weiter als gewöhnlich und verkörpern den wertschätzenden Selbstkontakt. Aus unserer Erfahrung ist dies ein sehr wertvoller Schritt, weil dies noch mehr und bewusster eine Verbindung zum eigenen Körper schafft, Stress reduziert und die (Selbst)Liebe konkret erlebbar macht. Das Wichtigste und Beste: es steht dir jederzeit und kostenlos zu Verfügung!

 

Narzisstisch und egoistisch 

Wie eingangs erwähnt, wird mit dem Wort Selbstliebe schnell Egoismus oder Narzissmus assoziiert. Viele haben einen verschütteten Zugang zu einem gesunden Mass an Selbstliebe, die weder überhöht noch egozentriert ist. Einen liebevollen Selbstkontakt, der deine Schattenseiten statt ausklammert integriert, und der dich mit dir und allen um dich herum verbindet statt trennt, ist noch nicht wirklich verbreitet. Ein gut verankerter, stabiler Kontakt zu dir selbst, wenn du intensiv in deinem Leben gefordert bist, genau das brauchen wir (spätestens) heute alle!

 

Selbstliebe gleich Masturbation

Viele setzen Selbstliebe auch mit Masturbation gleich. Wobei wir dieses Wort im Zusammenhang mit Selbstbefriedigung tatsächlich gerne gebrauchen, wenn es darum geht, die Masturbation nicht rein triebhaft auszuleben, sondern nachhaltig befriedigend zu gestalten. Die bewusste Eigenberührung von der wir sprechen, und die wir vermitteln, bezieht sich auf den ganzen Körper und hat nicht eine erregende Ausrichtung, schliesst sie aber auch nicht aus - Eigenberührung darf lustvoll sein und Spass machen!

 

Wie gehen Männer mit Berührungsmangel um?

Interessanterweise haben sich für das «Selflove»-Seminar ausschliesslich Frauen angemeldet und wir haben uns gefragt, wie Männer wohl mit dieser aktuellen Situation und dem damit verbundenen Berührungsmangel umgehen? Sind vielleicht Sport, Alkohol, Winterschwimmen oder Porno eher männliche Wege, um mit dieser Situation klar zu kommen? Gerade letzteres scheint gemäss KonsumentInnenzahlen derzeit stark gestiegen zu sein, wobei dies sicher nicht nur auf die Männer zu beziehen ist. Da wo Porno gelegentlich als «appetitanregend» oder drucklösend konsumiert wird, ist es aus unserer Sicht eine von vielen «Spielarten» der Sexualität, die es nicht zu moralisieren und abzuwerten gilt. Gleichzeitig gibt es nichts zu beschönigen, weil einerseits viel menschenverachtendes Videomaterial im Umlauf ist und anderseits der regelmässige bis häufige Konsum schnell zur Sucht werden kann. Das Gehirn wird massiv überstimuliert und ruft schnell nach dem nächsten, noch stärkeren Kick. Dieser ist heute einfach, schnell und rund um die Uhr zu holen. Alles andere wird immer mehr fad, lustlos und langweilig. Was das für die Betroffenen und deren Beziehungen heissen kann, ist relativ einfach nachvollziehbar. Aber nach wie vor wird oftmals nicht darüber gesprochen, weil sich die Menschen deren Auswirkungen gar nicht bewusst sind oder weil die Abwertung, die Moral und das Versagen tabuisierend wirken.

 

Der wichtigste Mensch deines Lebens!

Mit Selbstkontakt und Eigenberührung setzen wir hier ein Ausrufezeichen! Es könnte in der andauernden eingeschränkten Situation für viele Menschen ein wichtiger und naheliegender Weg werden, um mit Herausforderungen der aktuellen Zeit bei sich und im Körper verankert zu bleiben. Es braucht Mut, Offenheit, Neugier und manchmal schlicht Anleitung, Unterstützung und Vernetzung, um neue ungewohnte Wege zu gehen. Vor allem könnte es für dich die (Wieder)entdeckung des wichtigsten Menschen in deinem Leben sein!  

 

Dieter & Barbara

 

* Artikel auf SRF vom 21.02.21 zur Forschung was physical distancing mit uns Menschen macht

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Kommentare: 4
  • #1

    Frau (Donnerstag, 25 Februar 2021 13:15)

    ...es gibt tatsächlich Menschen, denen diese „Grundversorgung“ aus Berührung, Nähe und Liebe nicht nur temporär und in der aktuellen Situation fehlt, sondern die diese in ihrem Leben schlicht nicht haben und auch noch nie hatten. Für die meisten unvorstellbar, für einige Menschen jedoch harte Realität. Und damit bleibt man lieber anonym...

  • #2

    Geni 26.Februar 2021 (Freitag, 26 Februar 2021 09:16)

    Eure Zeilen haben mir aus dem Herzen gesprochen... Glücklicherweise habe ich einige dieser Anleitungen und Hilfen in Einzelgesprächen mit Barbara schon kennen und teilweise "erlernen" dürfen. Sie sind mir in der aktuellen Situation wichtige Begleiter und Stützen im Alltag geworden.

  • #3

    Dieter (Dienstag, 02 März 2021 15:31)

    @Frau: Liebe Frau, anonym bleiben heisst Schutz haben, aber irgendwo auch alleine bleiben.....
    Eines ist sicher, du bist nicht alleine mit dieser Situation und das aktuelle Zeitgeschehen ruft auf, mutig zu sein, sichtbar zu werden und in Verbindung zu gehen! Wir wünschen dir Mut und Zuversicht, dass du aktiv deine Lebensbedingungen verändern kannst!

  • #4

    Dieter (Dienstag, 02 März 2021 15:33)

    @Geni: Danke für dein Feedback, lieber Geni! Ja, wir selbst sollten uns die wichtigsten Menschen sein. Erst dann können wir andere Menschen lieben!